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Geschichte der St. Barbarabruderschaft
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Im Jahre 1342 errichtete der Konvent der Benediktinerinnen von Neuwerk
in der Klosterkirche einen neuen Altar zu Ehren der Heiligen Barbara.
Er steht noch heute im linken Seitenschiff der Kirche. Diese
Altarstiftung verbanden die Benediktinerinnen mit einer ganzen
Nonnen-Pfründe, einer halben Mark und zwölf Malter Korn. Abt Wilhelm
von Gladbach bestätigte diese Schenkung unter dem Vorbehalt, dass ihm
selbst und seinen Nachfolgern kein Schaden entstehe. Er hatte für immer
für diesen Altar einen Rektor anzustellen, dem die erwähnten Einkünfte
zu entrichten waren. Weiterhin dürfe aber auch der Kaplan oder Propst,
den er einstellen werde, nicht darunter zu leiden haben.
Das
gestiftete Korn erhielt der Rektor aus dem Hardter Zehnten, den man
deshalb auch Paterskorn nannte. An den Barbaraaltar lehnte sich später
die Bruderschaft St. Barbara zu Neuwerk an. Sie wird erstmalig, soweit
uns heute bekannt ist, in der Klosterabrechnung des Jahres 1497
genannt. Diese Klosterabrechnungen befinden sich heute als so genannte
Kahnakten im Hauptstaatsarchiv in Düsseldorf. Kahnakten heißen sie
deshalb, weil diese Akten während des Zweiten Weltkrieges auf einem
Rheinkahn lagerten, der aber untergegangen ist und erst nach dem Krieg
wieder gehoben wurde. Die Barbarabruderschaft erhielt nach diesen
Klosterabrechnungen den Zehnten vom Barbara Altar. Das war aber ganz
sicher nicht das Geburtsjahr der Bruderschaft. Dieses kennen wir nicht.
Jedenfalls ist sie viele Jahre älter und ist die älteste derartige
Vereinigung in Neuwerk. Lange Zeit hat man das Jahr 1522 als
Geburtsjahr der Bruderschaft angesehen. Im Gegensatz zu den
Klosterakten stammt aus diesem Jahr die älteste bekannte Urkunde, in
der die St. Barbarabruderschaft erwähnt wird. Seit 1522 erhielt der
Barbaraaltar reiche neue Zuwendungen in Form von jährlich zu zahlenden
Renten. Sie blieben über Jahrhunderte wertbeständig. Die Einkünfte aus
den Renten flossen in die Bruderschaftskasse.
Während der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts scheint die Bruderschaft
wegen der Wirren des Dreißigjährigen Krieges vorübergehend aufgelöst
gewesen
zu sein. 1684 entstand sie neu. Ihre erste Satzung erhielt sie im Jahre
1686. Die Originale dieser Satzung befanden sich im Pfarrarchiv zu
Neuwerk. Im Festbuch des 225-jährigen Jubelfestes von 1905 waren sie
noch abgedruckt, sind aber jetzt verschollen.
Damit die Bruderschaft ordentlich geführt werde, wurden 1685 erstmals
zwei Brudermeister gewählt. Es waren Heinrich Hamacher und Peter
Pilatus. Die Gottestracht wurde für Neuwerk auf den Sonntag vor dem
Pfingstfest festgesetzt.
Daran scheint sich auch der Tag der Frühkirmes bis auf den heutigen Tag
orientiert zu haben. Es wurde eine erste Fahne angeschafft, von denen
es im Laufe der Jahre eine ganze Reihe gab. Einige sehr alte sind heute
noch vorhanden, Fahnenreste von 1822 und vor allem die Fahne von 1872,
hergestellt von dem Hardter Maler Josef Ungerechts für 50 Taler. Mit
Dekret vom 1.5.1686 wurde den Mitgliedern vom Kurfürsten E. Bruck von
der Pfalz gestattet, zu bestimmten Gelegenheiten Gewehre zu tragen, so
bei der Verteidigung des Landes und der römisch katholischen Religion.
Seit 1684 wurde regelmäßig der Vogel geschossen. Nur in den Jahren
1702, 1758 und 1762 war dies wegen Krieges nicht möglich. Das
Königssilber ziert als ältestes Stück ein silberner Vogel mit der
Inschrift: 1698 ist dieser Vogel aus dem Bruderschaftssilber gemacht.
An der Spitze der Bruderschaft standen wie schon erwähnt ursprünglich
zwei Brudermeister, die jährlich gewählt wurden. 1686 hatte die
Bruderschaft 17 Mitglieder, 1730 zählte man 350 eingeschriebene
geistliche und weltliche Mitglieder. In diesem Jahr ergänzte man die
Leitung der Bruderschaft durch den Ältestenrat, dieser bestand aus den
ältesten vier Bruderschafts-mitgliedern. Ohne ihr Einverständnis konnte
ein Brudermeister nicht mehr selbständig handeln. Heute zählt die
Bruderschaft etwa 550 Mitglieder. Die Klosterkirche zu Neuwerk war
besonders wegen ihrer kostbaren Heiligtümer und Reliquien Jahrhunderte
lang Anziehungspunkt vieler frommer Pilger aus nah und fern.
Regelmäßig kamen am Barbarafest Prozessionen aus Korschenbroich,
Viersen, Dülken und Hardt nach Neuwerk, am längsten die von
Kleinenbroich bis etwa 1965. Da infolge der industriellen Entwicklung
in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts der Pilgerbesuch an
den Wochentagen immer mehr abnahm, wurden die kirchlichen
Festlichkeiten durch den damaligen Pfarrer von Neuwerk, Sebastian Till,
auf den darauf folgenden Sonntag verlegt. Diese Umstellung wurde bis in
unsere Zeit beibehalten.
Unter den Heiligtümern von Neuwerk befindet sich unter anderem ein Teil
des Arms der Hl. Barbara und ein Stückchen des Steins, auf dem sie
enthauptet wurde. Vor den Festtagen wurde der St. Barbaraaltar, das
Barbarabild und alles, was dazu gehörte, vom Vorstand der St.
Barbarabruderschaft in würdiger Weise in Ordnung gebracht. Die am
Barbaratag auf dem Barbaraaltar aufgestellte Figur, die Hl. Jungfrau
und Märtyrerin Barbara darstellend, war eine alte Holzfigur. Das
geschnitzte Bildwerk, ca. 80 cm hoch, soll nach Angabe von
Sachverständigen im 15. Jahrhundert angefertigt worden sein. Diese
Figur der Hl. Barbara wurde in der Nacht zu Heiligabend 1983 aus der
Pfarrkirche gestohlen und ist bis auf den heutigen Tag nicht wieder
aufgetaucht. Das Barbarafest war auch Maß für Markttage. Rund um das
Kloster waren Stände aufgebaut, wo Haushaltswaren, Kinderspielzeug und
Leckereien für das bevorstehende Nikolaus- und Weihnachtsfest angeboten
wurden. Das Barbarafest wird auch heute noch, allerdings in anderem
Rahmen gefeiert. Morgens findet eine feierliche Eucharistiefeier statt
und danach können die Reliquien von der Gemeinde verehrt werden. Sie
sind im Chor der heutigen Pfarrkirche aufgebaut.
Nach einer Kranzniederlegung auf dem
Friedhof finden sich dann die Mitglieder zum gemeinsamen Frühstück im
Saal des Vereinslokals Haus Ohlenforst ein. Hier werden dann auch
Jubilare geehrt und der neue, bei der Spätkirmes ermittelte neue König
gekrönt.
Das älteste noch vorhandene Protokollbuch, begonnen am 20.3.1904 weist
aus, dass die Bruderschaftsarbeit im ersten Weltkrieg 1914-1918 im
Gegensatz zum zweiten Weltkrieg nicht behindert gewesen ist. Alle
anstehenden Festlichkeiten wurden durchgeführt. Wegen der politischen
Lage in der Zeit der Hitlerdiktatur beschloss der Vorstand am
13.5.1940, ab sofort nicht mehr an die Öffentlichkeit zu treten. Die
Gestapo hatte überall ihre Spitzel, um Aktivitäten der Bruderschaft in
der Öffentlichkeit zu behindern und die Verantwortlichen zu verhören
und zu bestrafen. Als Alternativen zu den Bruderschaften wurden von den
Nationalsozialisten die Schützengilden gegründet. Wegen der vielen
Männer, die zur Wehrmacht waren, sich in Kriegsgefangenschaft befanden
oder gefallen waren, wäre es auch nicht möglich gewesen, die üblichen
Feste in gewohnter Weise durchzuführen. 1949 war es dann soweit. Am
21.4.1949 wurde beschlossen, dass am 25.9,1949 zum ersten Mal nach dem
furchtbaren Weltkrieg der Vogel wieder geschossen werden solle. In den
Folgejahren ging man von diesem Termin wieder ab und schoss
traditionell wieder Ostermontag eines jeden Jahres und zwar bis 1971.
Danach ging man wieder auf den Spätkirmestermin zurück, um dem neuen
König einen längeren Zeitraum zur Vorbereitung auf die Frühkirmes
einzuräumen und die Spätkirmes etwas aufzuwerten.
Heute wird der Vogelschuss am Spätkirmessamstag durchgeführt, um den
Sonntag nach der Festmesse freizuhalten für den Klompenball. Etwa 140
Klompenfrauen führen an diesem fröhlichen Kirmestag die Regie in der
Festhalle. Und seit es sich rund gesprochen hat, dass die beiden
Klosterbruderschaften auch die Teilnahme von Kindern in Klompen mit
einem Heiermann(Fünfmarkstück) belohnen, sind es etwa 35 Kinder, die in
den letzten Jahren an der Hand von Mutter am Klompenball teilnehmen.
Diese Spätkirmes heißt auch Puspaskirmes, weil der September Puspaszeit
ist. Puspas ist ein Brotaufstrich, der aus gekochten Äpfeln, Birnen und
Pflaumen besteht, die zu dieser Zeit gereift sind.
Die Zusammenkünfte der Bruderschaft fanden in Neuwerker Gaststätten
statt, dem Vereinslokal. Diese wurden im Laufe der Zeit mehrfach
gewechselt. So heißt es im Protokollbuch einer Vorstandssitzung vom
11.7.1929, dass der Bruderschaft im Lokal Schippers der Stuhl vor die
Tür gesetzt worden sei. Eine Delegation wurde daraufhin beauftragt, den
Wirt zur Rücknahme dieser Maßnahme zu bewegen. Dies Unterfangen blieb
aber erfolglos und man musste unverrichteter Dinge wieder abziehen.
Neues Vereinslokal wurde die Gaststätte von Anton Rommerskirchen und
blieb es bis zum 22.3.1964. Ab 11.4.1965 ist das Vereinslokal im Hause
Ohlenforst.
Seit 1796 sind auch
Frauen als Mitglieder der St. Barbarabruderschaft eingetragen. Jedoch
können auch nach heutiger Satzung nur Männer die Ehrenämter der
Bruderschaft bekleiden. Wegen der umfangreichen organisatorischen
Arbeiten, die allein den beiden Brudermeistern nicht mehr zuzumuten
war, wird die Bruderschaft heute von einem gewählten geschäftsführenden
Vorstand geführt. An der Spitze steht der Präsident und der Präses.
Ihnen zur Seite der Vizepräsident, der Kassierer und Schriftführer
sowie deren Stellvertreter.
Keimzellen der Bruderschaft sind die fünf Neuwerker Honschaften:
Damm, Dünn, Engelbleck, Neersbroich-Donk und Uedding. Die Honschaften
ziehen während der Kirmes traditionell mit schwarzem Anzug und
Zylinder. Es war der Hochzeitsanzug und mit dem Tag der Eheschließung
trat man in die St. Barbarabruderschaft ein. Höhepunkt im Vereinsleben
der Bruderschaft sind neben dem Barbara Fest und der Spätkirmes die
Prunkfeierlichkeiten zur Frühkirmes. Schon in aller Frühe treffen die
einzelnen Honschaften und Züge, angeführt von ihren Zugführern am
Neuwerker Markt ein und holen mit Musik die Brudermeister, die Fahne
und den König zum gemeinsamen Kirchgang ab .
Nach
der Altarparade findet sonntags die Parade vor der Geistlichkeit,
montags paradieren alle vier Neuwerker Bruderschaften zusammen
abwechselnd in Neuwerk-Kloster und in Bettrath vor den Königen und der
weltlichen Obrigkeit. 1967 kam es zu erheblichen Auseinandersetzungen
innerhalb der vier Neuwerker Bruderschaften über den Termin der
Frühkirmes. Man beabsichtigte, den Termin der Frühkirmes auf den 30.4.
und 1.5. eines jeden Jahres festzuschreiben. Zu diesem Thema fand am
6.3.1967 eine gemeinsame Vorstandssitzung aller vier Neuwerker
Bruderschaften statt. Die beiden Klosterbruderschaften brachten
Beschlüsse der Generalversammlungen mit, wonach man an Paraden in
Bettrath, wegen dieses Vorschlags, nicht mehr teilnehmen wollte. Aber
schnell stellte man fest, dass alle Aufregung umsonst war, denn eine
Kirmesverlegung war gar nicht möglich. Im Eingemeindungsvertrag
zwischen dem ehemals selbständigen Neuwerk und der Stadt
Mönchengladbach waren die traditionellen Kirmestage für Neuwerk
festgeschrieben worden. Auf der Generalversammlung vom 7.4.1968 wurde
der Beschluss, nicht mehr an der Parade in Bettrath teilzunehmen, Gott
sei's gedankt, zurückgenommen und sehr freundschaftlich verbunden
findet die Hauptparade am Frühkirmesmontag wieder einvernehmlich im
jährlichen Wechsel einmal in Bettrath und das andere Mal in
Neuwerk-Kloster statt.
Von jeher erhielt die Frühkirmes durch die Veranstaltungen der
Bruderschaften ein glänzendes äußeres Gepränge. In früheren Jahren zog
man nach der Frühmesse hinaus, um den Vogel zu schießen. Jeder schoss
mit seiner eigenen Flinte nach Belieben, bis der Pulvervorrat erschöpft
war, oder der Vogel an der Erde lag. Der glückliche Schütze war
berechtigt während des ganzen Tages an der Königstafel frei zu essen
und zu trinken. Nachmittags war Tanzveranstaltung, aber nur bis zum
Schlag der Abendglocke, dann wurde Schluss gemacht. Heute ist es vor
allem der Prunkumzug, der in dieser Größe und Schönheit, wenn alle vier
Kirmesvorstände in achter Reihe durch unseren Ortsteil ziehen, wohl
einmalig dasteht.
Früher kam es hin und wieder vor, dass ehemalige Mitglieder der
Bruderschaft in ihren Testamenten die Bruderschaft mit einem Grundstück
bedachten, welches dann von ihr verpachtet wurde. Noch heute besitzt
die Bruderschaft ein kleines Grundstück in der Gemarkung Raderbroich
der Stadt Korschenbroich. Dieses wurde allerdings gekauft aus dem Erlös
eines verkauften Grundstücks am heutigen Gatherskamp, das zu Bauland
erklärt wurde. Die Generalversammlung vom 4.4.1971 beschloss, von dem
Erlös DM 10 000,- für den Bau des neuen Pfarrheims der Pfarrgemeinde
St. Maria Himmelfahrt zu stiften.
„Aus alter Wurzel neue Kraft". Heute Bruderschaft zu sein, bedeutet
nicht, Tradition nur um der Tradition willen zu bewahren. Um das 500
Jahre alte Feuer der Bruderschaft am Brennen zu halten, muss Asche
entfernt und neue Scheite nachgeschoben werden. Mit der Zeit gehen,
heißt nicht, dem Zeitgeist zu frönen, sondern nach gemeinsamer
Überlegung und Erkenntnis, neue Dinge durchzusetzen und einzuführen.
Nur so wird das Feuer auch ins nächste Jahrtausend für weitere 500
Jahre brennen.
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